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WESTFÄLISCH:
Schreibsprachenkennzeichen
Basiert auf einer
Liste von Jürgen Wolf. Ohne
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Schreibzentren: Soest,
Dortmund, Münster, Osnabrück, Bielefeld, Paderborn. Auf der
Dialektgrenze zu Ostfalen: Minden.
Die westfälische
Binnengliederung stellt den Nordwesten (Münster) und den Südosten
(Soest, Paderborn) als Kernbereiche heraus, denen sich der Südwesten
(Dortmund) und Nordosten (Osnabrück, Bielefeld) von Fall zu Fall
anschließen.
Kennzeichen:
Kennzeichen der Schriftsprache
in Westfalen sind der verbale Einheitsplural auf -en, das Personalpronomen
uns sowie die Schreibung der westfälischen Brechungsdiphtonge
der oberen Reihe als <e> und <o> .
Westfalismen in Kleinwörtern:
hent, winte 'bis', mer, men, meven 'aber'
(vs. sunder Ostfälisch, Nordnieders.), nin 'kein',
no 'noch', ofte 'oder', sall 'soll', sünder/sunder
'ohne' (vs. Ostfälisch a:ne), tüs(s)chen 'zwischen'
(vs. twischen Ostfälisch, Nordniedersächs.), want(e)
'denn, weil' want(e) (bes. im 15. Jh. kennzeichnend), wattan
'obwohl', dan, den 'als (Komp.)' (vs. Ostfälisch wan,
wen)
- <o> vor r
+ Konsonant <a>: karn 'Korn', wart 'Wort'.
- i, u bleiben
in offener Silbe erhalten: witen 'wissen', sune 'Sohn'.
- Der Wandel von ft
> cht tritt gehäuft auf, also kracht 'Kraft'.
- i, e, ü vor
n, l + Konsonant gesenkt: brengen 'bringen', mensche
'Mensch' (minsche), vrönt/frent 'Freund' (vrünt),
sölve 'selbst' (sülve), auch bet 'bis'.
- r-Metathese in
derde 'dritte' (dridde, drüdde).
- Beim Adjektiv 'gangbar'
finden sich i-Schreibungen: genge/ginge.
- Die obere Vokalreihe
(i, ü, u) vor r + Konsonant wurde in den Mundarten
zu iä, üö, uo diphtongiert. Neben e und
o können noch die Schreibungen i und u auftreten.
- Verbindung er
in der Sprechsprache zu iä diphtongiert. In der Schreibung
bleibt er bestehen.
- Schreibung ar
für or vor d, t oder n: wort / wart,
vort / vart, korn / karn. Doch überwiegen or-Schreibungen.
- Kürzung tonlanger
Vokale vor -el, -er, -en, -ich und -ing ist selten.
Mitunter tritt die Schreibung der Doppelkonsonanz auch in anderer
Umgebung auf.
- Für Langvokalismus
tritt in westfälischen Texten neben nachgeschriebenem e
das aus der ripuarischen Schreibsprache übernommene i
bzw. y auf.
- In Hiatstellung nach
u: steht in westfälischen (sowie in ostfriesisch-Oldenburgischen)
Texten die Schreibung ouw buwen/bouwen/bowen, vruwe/vrouwe/vrowe.
- Hiatstellungen können
mittels der eingeschobenen Konsonanten j, g oder w getilgt
werden (setzt im 14. Jh. in Süd- und Ostwestfalen ein. Laute
vor der ehemaligen Hiatstellung werden gekürzt. In weiteren Teilen
des Sprachgebietes ist nach ehemaligem i ein j, nach
langem u: und ü: ein w anzutreffen: vrie/vrige/vrigge
'freie', nie / nige / nigge 'neue', (bouwen) / buwen / buwwen
/ buggen, (vrouwe) / vruwe / vruwwe / vrugge, truwe
/ truwwe / trugge 'Treue', truwe / trugge 'treue', houwen
/ howwen / hoggen, eyer / eyger/ eggeer.
- nd entwickelte
sich zu ng, doch wird dieser Prozeß in der Schrift nur
sehr selten wiedergegeben: hinder / hinner / hinger.
- Schreibung z für
s findet sich vor allem im Anlaut (zeitlich in frühmnd.
Zeit am meisten verbreitet): sone / zone 'Sohn'.
- Wechsel von sk
> š setzt sich im Westfälischen nicht durch: scal /
schal, scriven / schriven.
- Beispiele für s-Schreibung
statt sk im Auslaut bzw. am Silbenende finden sich auch (d.h.
nicht nur im Nl.) im westlichen Westfälischen: valsch / vals,
vleysch / vleys.
- Im Zuge der Ausbreitung
der lübischen Norm dringt der Einheitsplural der Verben im Präsens
Indikativ auf -en auch im Altland durch, in Westfalen jedoch
nicht so vollständig wie im Nordnd. und im Ostfälischen.
Die 3. Pers. Pl. Präs. Ind. endet in frühmnd. westfälischen
Texten bisweilen auf -en: wi, gi, se hebbet / hebben / se
hebbent.
- Die Ablösung der
a- durch die e-Schreibung in den Pluralformen des Präteritum
Indikativ der 4. und 5. Ablautreihe erfolgt im Verlauf des 13. und
der ersten Hälfte des 14. Jhs. - im Westfälischen halten
sich a-Varianten bis ins 16. Jh.: wi, gi, se spraken/ spreken;
wi, gi, se gaven/geven.
- brengen 'bringen'
gehört als Kennform zu einem nl.-westfäl.-md. brengen-Gebiet
(im Prät. und im Part. Prät. variieren die Vokale a
und o: brachte / brochte, (ghe)bracht / (ghe)brocht).
- Im Südwestfälischen
kann die 3. Prs. Sg. Präs. Ind. hevet / heft auch haft
(vom Infinitiv haven: hevet / heft / het / haft) auftreten.
- Im Part. Prät. hat
das Westfälische gelacht, gesacht, während sonst
gelecht, gesecht üblich sind: gelacht / gelecht,
gesacht / gesecht.
- 'können': die Formen
des Präs. Ind. wie das Part. Prät. haben als Stammvokal
u oder o, wobei die o-Schreibungen als westfälisch
gelten: kunde / konde, gekunt / gekont.
- 'sollen': mit der s-,
z-Schreibung im Anlaut steht das Westfälische in einem
nl.-westfäl.-hd. Zusammenhang. Ostwestfalen schwankt zwischen
s und sc: scal / schal / sal / zal. Für
den Pl. Präs. Ind. ist die westfäl. Schreibung mit einfachem
l in frühmnd. Zeit weit verbreitet: solen / sollen.
- 'wollen': hat in der
1. und 3. Prs. Sg. Präs. Ind., im Pl. Präs. Ind. sowie im
Inf. neben i auch e im Stammvokal: wil / wel,
willen / wellen, wil(le)t / wel(le)t.
- 'tun', 'gehen', 'stehen':
In der 2. und 3. Prs. Präs. Ind. deist, deit, sind im
Westfälischen döst, döt erhalten: deist /
do(e), deit / do(e)t. - Bei den Verben 'gehen' und 'stehen'
in der 2. und 3. Prs. Präs. Ind. und in der 3. Sg. Präs.
Ind. neben den allgemein gültigen Formen mit ei Varianten
mit a: und e: : geist / ge(e)st / ga(e)st, steist
/ ste(e)st / sta(e)st; geit / ge(e)t / ga(e)t, steit
/ ste(e)t / sta(e)t.
- 'sein': 1. Prs. Präs.
Ind. lautet in der Regel bin, daneben existieren regionale
Varianten wie westfälisches sin: bin/ben/bun/sin.
In der 3. Prs. Präs. Ind. kommt neben is es vor: is
/ es / ist.
- Genitiv Sg. von 'Stadt':
schon in frühmnd. Zeit: der stades, des stades
anstelle von der stad.
- 'Gerber': ausnahmslos
löer.
- 'Flickschuster': herrschender
Typ: lapper/lepper mit den Zusammensetzungen scholapper,
oltlapper: lapper / lepper / scholapper / oltlapper / oltboter.
- 'Kürschner': in
Westfalen und dessen Nachbargebieten das romanische pelser.
- 'Pflugmesser': rhein.-westfälisch
kolter, aus nl. kouter stammend. Neben: plo(e)ch)kolter
/ (plo(e)ch)sek / plo(e)chisier(en) / schare.
- Ernte': ostnl.-rhein.-westfäl.
bouwe. Im mnd. allg. am weitesten verbreitet arne (arnde,
erne).
- 'Honig': Die westfälische
Variante hanich weicht mnd. der allg. schriftsprachlichen Form
honich.
- 'Brunnen': im Westfäl.
wird mit pütt(e), pütten mask. die nl.-rhein.
Wortlandschaft fortgesetzt (östlich der Weser hat pütte
fem. Genus und bedeutet wie in Obd. und Ostnd. 'Pfütze', 'Lache').
- 'Geschrei', 'Gerücht':
nur im westlichen Westfalen e statt i in gewechte
neben gewichte.
- 'Schilling': Im westlichen
Westfalen die regionale Variante schellink, die sich an das
Nl. anschließt: schillink/schellink.
- 'Siegel': Neben segel
tritt als vorwiegend westfäl. Variante ingesegel, seltener
insegel auf.
- 'Tinte': auf lat. encau(s)tum
gehen nl.-rhein.-westfäl. enket zurück. Innerhalb
des Westfälischen ist enket im Nordem, inket, mit
e zu i vor Nasalverbindung, im Süden verbreitet:
enket / inket.
- 'ganz': nur im Westfäl.
aling neben allg. verbreiteten Varianten: gantz / he(e)l
/ heil / aling.
- 'gegenwärtig': die
Formen mit o sind vorwiegend west- und ostfäl.: yegen-
/ tiegen- / tegen- / kegen- / gegen- -wordich /-wardich / -werdich.
- 'dritte': als westfäl.
Kennzeichen gilt derde.
- 'mir', 'mich': mi.
'wir': wi und we. 'uns-': in der westfälischen
Schreibsprache gilt schon seit dem 13. Jh. uns-, obwohl auch
in den westfälischen Mundarten us- gesprochen wird.
- 'euch': für das
südliche Westfalen ist neben allg. gebräuchlichen ju,
juw vor allem uch kennzeichnend.
- 'es': neben Normalform
it in westfäl. und ostfäl. Texten auch et.
- Possessivpronomina: Kontrahierte
Formen (mir, sir) scheinen vor allem westfälisch
zu sein:
miner / minre / mir
siner / sinre / sir.
- 'ihm' eme, 'in'
ene, 'ihre' ere, gilt im Westfälischen und Nordniederdeutschen.
- 'dieser', 'diese': ursprüngliche
Formen mit einfachem s kommen fast nur im Westfälischen
vor (außerhalb des Westfäl. nur vereinzelt in der Überlieferung
des 13. Jh.s).
Im nördl. Westfalen ist
desse im 14. und 15. Jh. die häufigste Form.
In der 2. H. des 16. Jh.s
scheint sich düsse im Westfälischen durchzusetzen.
- 'der-', 'die-', 'dasjenige':
die Verbindung von g-Anlaut und tonlangem e ist kennzeichnend
für das Westfälische: de g(h)ene, de g(h)enne.
- 'der-', 'die-', 'dasselbe':
hauptsächlich de selve und die gerundete Variante de
sölve.
Im 14. Jh. schwankt Ostwestfalen
zwischen selve und sülve.
Im 15. Jh. hat sich in Westfalen
die ungerundete Variante selve durchgesetzt vs. sülve
im Ostfälischen / Nordniedersächsischen.
- Interrogativpronomen
'wer': wel.
- 'nichts': im Südwestfälischen:
nit.
- 'jemand': yman(t),
iman(t) (südwestliches Westfalen), jümman(t)
(westfälisch), ümman(t) (südwestfälisch).
- 'niemand': nümmant,
nümmandes, nümmes.
- '(irgend) ein(er)': sum,
som mit den Ableitungen sümich, sömich, vor -ich
gekürzt zu sümmich, sömmich, sumelik, somelik,
summelik, sommelik sind häufiger nur im Westfälischen
belegt, finden sich darüber hinaus in älterer Zeit im gesamten
Sprachgebiet.
- 'kein': im südöstlichen
Westfälischen (Soest) ne:n wie auch im Ostfälischen.
In Nordwestfalen, im Raum Dortmund, Münster, Oldenburg, gilt
ni:n.
- 'jeder': jüwel(i)k;
vor allem in Südwestfalen. Darüber hinaus aber auch im Nordwestfälischen
und Ostfälischen verbreitet.
Auch malk (aus dem
Kleverländischen) ist im Westfälischen vertreten.
- 'wo': wa:r vs.
wu:r Ostfälisch vs. wo:r Nordniederdeutsch.
- 'hinten': im südlichen
Westfalen hinden(e). Infolge der Assimilation der Konsonantenverbindung
nd zu nn entstand hinnen, das aber nur selten
geschrieben wird.
- 'hinten': nd in
hinden(e) entwickelt sich im Südwestfälischen zu
?: hinger.
- 'je', 'jemals': neben
gesamtmnd. jo: als Versicherungspartikel mit der Bedeutung
'immer', 'durchaus'und 'je' unterscheidet man in West- und Ostfalen
konsequent die Form jü in der Bedeutung 'unquam'.
- 'sofort', 'sogleich':
vort und vart stehen nebeneinander.
- 'noch': no, mit
Schwund des ch.
- 'so': düs
gilt als westlich (nl. und westfälisch).
- 'wohl': wal (insbes.
Nordwestfälisch, wo wal/wale wechseln). In Ostwestfalen
wechsel wal und wol cf. Ostfälisch.
- 'nicht': neben allgemeingültigem
nicht auch nit.
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