Historische Schreibsprachen - Internetbibliographie

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Im Sommer 2004 erhielt ich die Anfrage eines Amerikaners, Jonathan Liffgens, der wissen wollte, wie er an die Arbeit seiner Verwandten Irene Liffgens gelangen könnte. Mein Versuch, diese Arbeit über die Fernleihe zu bestellen, scheiterte. Ich musste Jonathan mitteilen, dass die Arbeit nicht zu bekommen war. Einige Monate später fragte ein Holländer, Ivan de Raaij, gleichfalls wegen dieser Arbeit bei mir an. Auch ihm gab ich negativen Bescheid, denn den vergeblichen Versuch einer Fernleihe hatte ich ja bereits unternommen. Doch Ivan ließ nicht locker, und im Verlauf eines intensiveren Briefwechsels (per Mail) entrollte sich die Lebensgeschichte der Irene Liffgens, die mich zunehmend zu interessieren begann.

Bei meinen Recherche nach der Dissertation und über das Leben der Irene half mir meine Frankfurter Kollegin Bettina Klein-Ilbeck, die - ebenso wie ich - ein immer stärkeres Interesse an der Biografie dieser uns eigentlich ganz fremden Person entwickelte. Dies mag nicht zuletzt daran liegen, dass das Leben der Irene Liffgens einen privaten Blick erlaubt auf ein Frauenleben im akademischen Betrieb des ersten Drittels des 20. Jhs., und dass ihr Tod in den Gaskammern von Auschwitz auf die zahlreichen jüdischen Wissenschaftler (und auch Germanisten) verweist, die dem Hitler-Regime zum Opfer gefallen sind.

Daher möchte ich an dieser Stelle die Informationen, die wir über Irene Liffgens zusammentragen konnten, weitergeben.

Irene Liffgens wurde am 31.12.1894 als Tochter des Agenten Julius Liffgens und seiner Frau Babette (geb. Schwei(t)zer) in Großmannsdorf (heute Ochsenfurt) geboren. Bald zog die Familie nach Frankfurt, wo Irene die Höhere Mädchenschule der Israelitischen Religionsgesellschaft besuchte. Anfangs zog die Familie innerhalb des Ostends im Bereich des Jüdischen Friedhofs mehrfach um. Im Sommer 1910 wechselte sie in die Obertertia der Studienanstalt der Schillerschule. Im gleichen Jahr scheint auch ihr Vater (Komissonär, Immobilien-Sensal und Weinhändler) gestorben zu sein. Die verwitwete Mutter führte, nach einem erneuten Umzug, die Geschäfte auch durch den Krieg hindurch fort, privatisierte dann von 1918-20, bevor sie 1921 das Geschäft wieder aufnahm (aufnehmen musste?). Irene Liffgens legte währenddessen zu Ostern 1915 ihr Abitur an der Schillerschule ab und begann dann das Studium der Germanistik, Anglistik und Romanistik. Sie promovierte im Dezember 1919 bei den Professoren Panzer und Petersen (nach Ausweis der gedruckten Zusammenfassung der Arbeit). - Das handschriftlich in der maschinenschriftl. Dissertation eingefügte Datum 1925 scheint fehlerhaft.

Was Irene Liffgens zu Anfang der 20er Jahre tat, darüber sind wir bisher nicht informiert; vielleicht arbeitete sie als Lehrerin, da dies später einmal als ihr Beruf angegeben wird. Um 1926 scheint sie dann geheiratet zu haben: Isaak Ainstein (*1897), einen nach Frankfurt zugewanderten Juden aus Bialystok, der als Eisenhändler in den Adressbüchern der Zeit aufscheint. Sie bekommen zwei Söhne: Hans Julius (21.7.1929) und Erwin. Schon zu Anfang der 30er Jahre wandert die Familie aber aus Deutschland aus. Sie gehen nach Holland, zu Irenes Schwester Rosa, die mit einem holländischen Juden verheiratet ist und in der Nähe von Den Haag (Scheveningen) lebt.

Von Holland aus werden Irene und Hans nach Auschwitz deportiert - Rosa, deren Tochter und Irenes Sohn Erwin überleben den Krieg. Am 3. September 1942, so sagt es das Yad-Vashem-Gedächtnisblatt, werden Irene und Hans in Auschwitz ermordet. Einen Tag zuvor verliert auch Isaak Ainstein dort sein Leben.

Erhalten blieb ihre Dissertation, die offenbar nur noch in einem einzigen Exemplar in Frankfurt vorhanden ist. Auch ein Bild existiert in der Yad-Vashem-Datenbank, das sie zusammen mit ihrem Sohn Erwin (nach Aussage von Ivan de Raaij) zeigt.

Für weitere Informationen und Fotos, vgl. die frei zugängliche Yad-Vashem-Database: http://www.yadvashem.org/wps/portal/IY_HON_Welcome (Stand 5.2.2005)

Ivan de Raaij lebt in der Nähe von Scheveningen und ist der Enkel von Irenes Schwester Rosa. Jonathan Liffgens lebt in Chicago und ist der Nachkomme eines Bruders von Irene. Erwin Ainstein lebte im Frühjahr 2005 in Holland, zurückgezogen. Ivan und Jonathan haben Irene Liffgens nie kennengelernt, da sie nach dem Krieg geboren wurden.

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zuletzt geändert am 20.09.2006 © BP