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OSTFÄLISCH: Schreibsprachenkennzeichen 

Basiert auf einer Liste von Jürgen Wolf. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Fehlerfreiheit. Korrekturen und Zusätze bitte an: schreibsprachen@gmx-topmail.de 

Schreibzentren: Hannover, Hildesheim, Braunschweig, Goslar, Göttingen. Auf der Dialektgrenze zu Ostfalen: Minden. 

Kennzeichen:

Bei Kleinwörtern sind diese Ostfalismen hervorhebenswert: ane 'ohne' (vs. sunder Westfälisch und überwiegend Nordniederdt.), edder 'oder', ift / icht 'ob, wenn', sünder 'aber' (vs. mer, men Westfälisch), twisschen 'zwischen' (vs. tüschen Westfälisch), wur 'wo' (vs. war Westfälisch), wan, wen 'als (Komp.)' (vs. dan, den Westfäl.); -schup (gemeinmd. -schop)
  • Senkung von i, e zu e, a vor r + Konsonant: kerke 'Kirche', barg 'Berg'. Mit Beginn des 14. Jh.s Senkung er zu ar. In der Schreibsprache variieren die Schreibungen er und ar (z.B. karke, arven, wartk, wart, swart)

  • Endungen häufig -ich/-inc (z.B. könninc); -ing Endung tlw. > -i (stark begrenztes Gebiet, cf. Lasch §144)

  • Hebung: von e zu i vor Nasal: hinne 'Henne', stidde 'Stätte'.
  • (Nordwestlicher Teil): ar + Konsonant entwickelt sich zu er: darf / derf, mark / merk, stark / sterk
  • Beim Adjektiv 'gangbar' finden sich i-Schreibungen: genge/ginge
  • Kürzung oder Ausbleiben tonlanger Vokale vor Konsonant + -er, -el, -en, -ich: better statt beter 'besser', leppel statt lepel 'Löffel', wetten statt weten 'wissen', leddich statt ledig 'leer'. 
  • Entrundung von ouw zu auw: hauwen statt houven 'hauen'. 
  • Rundung in den Personalpronomen öt 'es', öme 'ihm', öne 'ihn', öre 'ihr', öm 'ihnen' (statt et, eme, ere, em). 
  • Reduzierung des ge-Präfixes beim Part. Prät. (obwohl meist noch ge- geschrieben): emaket 'gemacht'. 
  • Einheitskasus auf -k in den Obliquen der Personalpronomen: mik / mek 'mir/mich', dik / dek 'dir/dich', üsek / ösek 'uns', jük / gik 'euch'. 
  • Schreibungen von Tonlängen i, ü, u: Für die Entsprechungen der oberen Kurzvokale e (für Tonlänge i) und o (für Tonlänge ü, u). ?: sigel / segel, siker / seker, ime / eme. ?: sune / sone 'Sohn', sulen / solen 'solle'. Der Nominativ von schip, schepes wird gern zu schep hin ausgeglichen. 
  • Kürzung tonlanger Vokale vor -el, -er, -en, -ich und -ing: wird bezeichnet durch die Verdoppelung des Konsonanten (vor allem d, t, m, n und p), der zwischen Vokal und (hist.) Suffix steht: edel / eddel, neder / nedder, beneden / benedden, ledich / leddich. Häufig auch Doppelung der Konsonanten g und p (ingeseggele, erleggen / oppenlik, hoppe, greppen), teils auch nach eigentlich langem Vokal.
  • Im Ostfälischen und im Münsterland hat sich das e: zu ai entwickelt. Daher können hier ei-, ai-Schreibungen als Wiedergabe des Diphtongs gewertet werden. 
  • Im Ostfälischen variiert bringen/brengen. Das nordnd.-ostfäl. bringen geht mit dem Obd. zusammen. Im Prät. und im Part. Prät. variieren die Vokale a und o: brachte / brochte, (ghe)bracht / (ghe)brocht
  • 'wollen': hat in der 1. und 3. Prs. Sg. Präs. Ind., im Pl. Präs. Ind. sowie im Inf. neben i vor allem auch e als Stammvokal: wil / wel, willen / wellen, wil(le)t / wel(le)t. Vor allem Ostfälisch ist wult in der 2. Prs. Sg. Präs Ind. (wiltu > wultu, danach du wult). 
  • 'sein': in der 3. Prs. Präs. Ind. kommt neben is es vor: is / es / ist
  • 'Gerber': überwiegend gerwer: gerwer / loer
  • 'Flickschuster': hauptsächlich oltböter: lapper / lepper / scholapper / oltlapper / oltboter
  • 'Kürschner': körsenwer(ch)te (-warte, -wörte). 
  • 'Pflugmesser': sek, aus dem md. übernommen. neben: plo(e)ch)kolter / (plo(e)ch)sek / plo(e)chisier(en) / schare
  • 'Schöpfer': mnd. allg.: schipper; schippen 'schaffen'. Mit Umlaut des a über e zu i ist ein ostfäl. Kennzeichen: schepper / schipper
  • 'gemauerter Brunnen': born
  • 'Furcht', 'fürchten': besonders im Ostfäl. wurde u vor -cht zu o: vruchte > vrochte bzw. ü vor -cht zu ö: vrüchten > vröchten
  • 'Licht': es wechseln lecht und lucht
  • 'Stätte': Weiterentwicklung des Umlauts von a über e hinaus zu i: stede / stedde / stidde. 
  • 'Tinte': Die angelsächs. Lehnübersetzung von lat. atramentum, black, gilt im Nordniederdt. und Ostfälischen. 
  • 'Sonnabend' sunnavend, gilt im Nordniederdt. und Ostfälischen
  • 'Mittwoch' middeweken, gilt im Nordniederdt. und Ostfälischen
  • 'Mensch' minsche, gilt im Nordniederdt. und Ostfälischen
  • 'Freund, Verwandter' vründ, gilt im Nordniederdt. und Ostfälischen
  • 'zwölf': im 15. Jh. wird twölf üblich. Die a-Graphie ist eher auf den Wechsel von a- und e-Schreibung für e in dieser Landschaft zurückzuführen: twalf / twölf
  • 'dritte': dridde und das darauf zurückgehende drüdde sind ostfäl. und nordnd. dredde ist nach dre gebildet. 
  • 'ich': neben sonst im Mnd. gültigem ik besitzt das Ostfäl. die Variante ek. ek ist im Frühmnd. Ostfalens häufiger als im 15. Jh. 
  • 'mir': 'mich': mik bzw. mek, auch Dat. me (nur ostfäl.)
  • 'wir': anfangs we, im 15. Jh. dann wi
  • 'uns-': in frühmnd. Zeit wird us geschrieben. In ostfälischen Texten finden sich noch im 14. Jh. Belege für die alten Akk.-Formen unsik, üsik, usik, osek
  • 'dir', 'dich': im ostfälischen dek-Gebiet wird vielfach auch dik geschrieben. 
  • 'euch': im Ostfälischen gelten die Akk.-Formen juk, gik (in Anlehnung an gi), gek (nach mek) > jök
  • 'ihm': neben allgemein vorherrschendem eme existiert im Ostfälischen auch die gerundete Variante öme
  • 'ihn': neben mnd. Hauptform ene ostfälische Variante öne. 'es': neben Normalform it in westfäl. und ostfäl. Texten auch et. Im Ostfälischen auch zu öt gerundet. 
  • 'ihr': Normalform ere wird zu öre gerundet. 
  • Reflexivpronomen 'sich': neben der Normalform sik weist das Ostfälische die Variante sek auf. 
  • 'dieser', 'diese': im 14. Jh. überwiegend disse, im 15. Jh. düsse. 'der-', 'die-' 'dasselbe': frühe ostfälische Texte haben noch de selve. Im 14. und 15. Jh. setzt sich in Ostfalen die gerundete Variante de sülve durch vs. selve im Westfälischen.
  • 'jemand': yman(t), iman(t) (südliches Ostfalen), typisch ostfälisch: jement
  • 'niemand': nemet
  • 'kein': ne:n Kennform vs. ni:n im Westfälischen - ne:n auch im südöstl. Westfälischen (Soest) 
  • 'jeder': speziell ostfälische Variante ist jowel(i)k. In frühen ostfälischen Texten ist besonders der Typ ioiwel(i)k belegt. Darüber hinaus ist auch jüwel(i)k im Ostfälischen verbreitet. Auch malk (aus dem Kleverländischen) ist im Ostfälischen verteten. 
  • 'wo': wu:r vs. wa:r Westfälisch vs. wo:r Nordniederdeutsch.
  • 'wie': wu: 
  • 'unten': benedden(e), nedden(e)
  • 'hinten': hinden(e). Infolge der Assimilation der Konsonantenverbindung nd zu nn gilt hinnen, das aber nur selten geschrieben wird. 
  • 'links': die Variante löcher ist vor allem im Ostfälischen belegt. 
  • 'je', 'jemals': neben gesamtmnd. jo: als Versicherungspartikel in der Bedeutung 'immer', 'durchaus', 'jedenfalls' und 'je', unterscheidet man in West- und Ostfalen konsequent die Form in der Bedeutung 'unquam'. 
  • 'noch': als Minderheitenvariante nach belegt. 
  • 'wohl': wol vs. wal bes. Nordwestfälisch 
 

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zuletzt geändert am 11.03.2007 © JW und © BP