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THÜRINGISCH
und OBERSÄCHSISCH:
Schreibsprachenkennzeichen des 14. Jahrhunderts
(Ohne Anspruch auf
Vollständigkeit oder Fehlerfreiheit. Korrekturen, Zusätze und
Verbesserungsvorschläge bitte an: schreibsprachen@gmx-topmail.de).
Das Obersächsische und Thüringische
weisen bis weit ins 14. Jh. vielfach gleiche Kennzeichen auf. Eine Differenzierung
dieser Schreibsprachen ist daher (auch aufgrund der bisher noch nicht
befriedigenden Forschungslage) gerade in der früheren Zeit relativ
schwierig. Die folgende Aufstellung der Schreibsprachenkennzeichen basiert
auf der Analyse von thüring.-obersächs. Sprachdenkmälern des 14. Jhs.
von Feudel (1967).
Vokale
- e : weitgehender
graphischer Zusammenfall der drei etymologisch verschiedenen e-Laute
(wenn auch wohl nicht lautlich geschieden).
- Typisch : mhd. e
> a ; e: (tlw. ae) > i. Formen : wilch,
sien, jien.
- Typisch : Rundung i
/ u > e / o. Im Thüring. e und o
häufiger als im Obersächs. Formen : of statt uf ; bringen
überwiegend : brengen.
- Mhd. o bleibt in
der Regel erhalten. Typisch aber: o > a ; ob / oder
/ sol überwiegend : ab, ader, sal. Oft eder, Vermischung
von oder und aber. Seltener van statt von.
Übergang von o > u kaum Eingang in der Schreibsprache,
Ausnahmen: kumen, genumen, sulch u.a.
- Mhd. a bleibt in
der Regel erhalten. Typisch
aber: a:/a > oft o (Verdumpfung); und fregen für
mhd. vragen.
- Mhd. o bleibt in
der Regel erhalten. Typisch
aber wenn: o:/o > u oder a; z.B. uffen.
- Mhd. i: Schriftzeichen
i, y, ie/ye (i.e, y.e, ii / yi) ; u:, ü: (iu)
Schriftzeichen u, u.e, u.o (ue, ui, uy) bleiben beherrschend.
Die Diphthongierung setzt sich erst im 15. Jh. von Südwesten her durch.
Ganz typisch : iu > u vor w.
- Mhd. ei / ou (Schriftzeichen
fast nie ai, au) zumeist festgehalten; Ganz typisch : ei
> e und ou > o - in der Schreibung fortschreitende
Monophthongierung beide : bede; ou > tlw. eu
; Kennworte geleuben, verkeufen, heubet.
- Mhd. ie, uo/üe Schriftzeichen
häufig i/y, ie/ye, ii/yi, i.e, y. Typisch, fortschreitende Monophthongierung:
ie > e oder uo > u / o (seltener
u.o, u.e, ue, uy).
- Typisch : mhd. io
bleibt io; ia bleibt ia in vyant.
- Rundung (außer in burnen)
und Entrundung selten in der Schreibsprache. Bes. Thüringen aber
Auftreten gerundeter und entrundeter Formen: Pers. Pron. um, ure;
czwusche, ummer, vromde, sustir.
- Umlaut konsequent nur bei
a/a: > e dargestellt. Bei anderen Vokalen nur vereinzelt.
Eigentlich immer umgelautete Formen: greve, sente. Wechsel erbeit(en)
/ arbeiten, ermute / armute, entwürte / antwürte. Umlaut in der
Regel durchgeführt vor Suffix mhd. -aere und den Ableitungssilben
mhd. -lich, -ig, -isch, -lin. Fehlt in mhd. saelde oft.
- Vokale unter Nebenakzent
behalten alte Qualität, Ausnahme: mhd. altaere > alter / altir.
Typisch : in den Endsilben i und e regellos wechselnd
oder i überwiegend.
- Apokope und Synkope : unbetontes
-e bleibt meist bewahrt, öfter auch eingefügt an sprachhistor.
unberechtigter Stelle.
Konsonanten
- Auslautverhärtung nicht
mehr in vollem Umfang, meist nur noch beim Dental. Beim Gutural schwanken
zwischen Media und Tenuis, beim Labial überwiegen Media.
- Mhd. k in allen Stellungen
k/c ; Inlautend bes. nach n auch tlw. ck ; Anlautend
nie g/ch; kw stets qu; auslautend oft g
nach r/n, seltener nach Vokal.
- Mhd. g anlautend
g, nie j, vereinzelt gh. Immer: kegen, oft
koukeler; Inlautend meist g, gh , Ausnahme: oft Kontraktion
-ige-/-ege-/-age-, seltener -oge, Vokalisierung des -g-
geht hier tlw. bis a/e. Typisch : phleget > phlit.
Häufig ist Ausfall des inlautenden g in morgene > morne
; menige > menie. Typisch : Tenuis satt Media in nakebur,
loukenen. Geminiertes gg > ck/kk. Auslaut überwiegend
g/c/k selten ch.
- Mhd. j anlautend
j (y, i, jh) nie g, Ausnahme: gener (selten).
Schwund von intervokalischem j, seltener Ersetzung durch h,
w, g.
- Mhd. h anlautend
Ausfall tlw. in unbetonten Vorsilben und proklitischem herre;
tlw. auch prothetisches h : heischen. Intervokalisch Schwund
von h nach kurzer Silbe, daneben herkömmliche h-Schreibungen;
vereinzelt intervokal. h durch g, ch wiedergegeben in
mhd. naehen tlw. als k : naeken, in nhd. kein
als k wiedergegeben. Schwund des h nach Konsonant (r/l)
Wiedergabe meist durch cht, chs. Auslautend Abfall von h in
na(h), ho(h). Typisch : unberechtigtes h- in he, her
: er.
- Mhd. ch bleibt in
der Regel ch. Typisch : chs > ss , vgl. häufig
glissener und in Zusammensetzungen mit kirche Ausfall
von ch. Inlautend selten g, unverschobene Formen in: wicbilde.
- Mhd. t anlautend
t (th), vor w kein Übergang zu qu. Inlautend
allgemein t, außer nach n/l und tlw. nach Vokalen, dann
d. Auslautend oft d für t, oft fällt t in
dieser Stellung aber auch ab oder wird unberechtigt hinzugefügt.
- Mhd. d anlautend
und inlautend in der Regel d (aber: vorterben). Auslautend t/d.
Typisch aber : Zusammenfall von d und t.
- Typisch : mhd. z
(Affrikate) überwiegend Schreibung ch, zc. Daneben selten z,
tz, c, Konsonantenhäufung hier (noch) Ausnahme.
- Mhd. langes z (Spirans)
meist : z, tlw. sz (zs). Häufig Vermischung von
langem z und s.
- Mhd. s als s(z).
Vor Konsonanten isolierte Anzeichen für Übergang zu sch. Typisch
: schal ; Selten noch sc-, s- : bes. menslich.
- Mhd. p bleibt p,
Ausnahme: phlage.
- Mhd. b anlautend
meist b, außer: pusch, putter. Inlautend b, öfter
auch w(v). Assimilation mb > mm vollzogen.
Auslaut Wechsel b/p.
- Typisch : pf/ph >
f. Im 14. Jh. noch nicht in der Schreibsprache erkennbar, dort
pf/ph nebeneinander, tlw. schon für f. Typisch : inlautend
in der Geminate und nach m unverschobene Formen.
- Mhd. v/f anlautend v/f.
Inlautend allgemein geschieden v (< german. f) > v,
f vs. f (< german. p) > f, ff, pf, ph (nie
v!). Inlautend öfter b in uber 'Ufer' und allgemein
unverschobenes p : wapen 'Waffen'.
- Mhd. w anlautend
w (v). Intervokalisch Schwund oder erhalten, oft durch
g, h ersetzt. Postkonsonantisch nach l/r meist w
seltener b. Im Auslaut Schwund.
- Mhd. r bleibt r;
oft here : herre. Allg. verre, sterne, werlt; Typisch
: r-Metathese; öfter nur in burnen, born u.a. Auslautendes
r in dar, war, sar etc. oft Schwund. Typisch : Pronomina
r-los: he, de, di.
- Mhd. l bleibt l
: enlende.
- Mhd. m bleibt m.
Vor f Wechsel m/n. Typisch : auslautendes m > n.
- Mhd. n bleibt n.
Vor Labial öfter Assimilation zu m. Allgemein : turm, pilgerim.
Im Auslaut tlw. Ausfall oder überschüssiges n. Typisch : nd
> ng / nn. Typisch, bes. Thüringisch : n-loser Infinitiv.
Sonstiges
- Gemination meist wie im
Mhd. - willkürliche Konsonantenhäufung ist noch die Ausnahme. Vokalkürze
in mhd. u:f allgemein. Bezeichnung der langen Vokale: Doppelschreibung
vereinzelt; selten i(e) -Nachschlag, häufiger Vokalspaltung.
Verbale Präfixe: vor- (selten vir-, ver-), zu-
(allg.), ir-/er- (vereinzelt der-, selten dir-),
ihnte-/ent- (selten unt-), ge-. Negationspartikel:
in-/-en.
- Ableitungssilbe der Nomina
Agentis: -er (-ir), selten -ere.
- Suffix: -nisse, Ausnahme
-nusse.
- Adjektiv-Suffix: -ig
endet meist auf Verschlusslaut: -ig/-ik/-ic, oft auch -eg/-ek/-ec.
Vereinzelt: -ich, Ausnahme: manich. Suffix für Stoffadjektive:
-in, selten -en. Suffix -lich bleibt erhalten,
-eht > -echt, -isch > -esch (-sch);
-baere bewahrt attributiv den Umlaut, Ausnahme offenbar.
- Diminutivformen: -chen,
teilweise -ken, und -lin nebeneinder.
- Zahlwörter: 'zwei' hat alte
Genusflexion, bei 'drei' ist Angleichung eingetreten. Typisch : zwu,
zwen (Dat. Pl.), zwenzic.
- Demonstrativpronomen: Nom.
mask., Gen./Dat. fem., Gen. Pl.: dirre, seltener dieser
(deser, dieser). Kaum Formen mit -ss-. Neutrum allg. diz,
selten dit. Typisch wenn: dit, oder dat.
- Typisch : Personalpronomen:
de, di (statt der).
- Possessivpronomen r-lose
Formen von unser neben vollen Formen, bei uwer stets volle
Formen; ir wird flektiert. Typisch : Kurzformen von unser
und Form unse.
- Verben: 2. Prät. Ind. der
st. Verben stehen alte umgelautete Formen auf -e, umgelautete
Formen auf -es(t) und vereinzelt bereits umlautlose Formen
auf -es(t) nebeneinander.
- Gerundium, nebeneinder Formen
auf -ene, -en, -ende.
- Grammat. Wechsel im Prät.
und Part. Prät. von liden meist beseitigt, aber ausgedehnt auf
Prät. und Part. Prät. von sehen und geschehen.
- Prät. der st. Verben: Ablaut
noch erhalten. Typisch : Präterita quam, quamen.
- Stets begunde (begonde).
Typisch : eingeschobenes s in begunst(e).
- Typisch : nicht berechtigter
Rückumlaut im Prät. und Part. Prät. von leren, keren und Umlaut
im Konj. Prät. der langsilbigen jan-Verben.
- Typische Formen: wuste,
kunde (konde), sal, mugen, muste. Im Pl. von wil
überwiegen die o-Formen gegenüber den e-Formen, meist
tet/taten aber gen/sten. 3. Sg. von sin allg. is
/ ist; 1. und 3. Pl. sin / sint; 1. Pl. sint eher
selten. Partizip meist: gewest. Kontrahierte und Unkontrahierte
Formen bei han, Prät. überwiegend hatte, Partizip oft
gehat.
- Typisch : Part. Präs. auf
-ing.
Für das Thüringische ist
insbesondere kennzeichnend
- Rundung von i > e
und u > o. Im Thüring. treten e und o häufiger
als im Obersächs. auf.
- Nachschlag von i
als Längenzeichen.
- In Endsilben oder unbetonten
Nebensilben i und e regellos im Wechsel, im Thüring.
i überwiegend.
- Gerundete Formen im Pers.
Pron. um, ure; sowie in czwuschen, ummer, eventl. in vroude,
sustir.
- Kennwörter: wilch, sien,
sien, eder, uffen, su ('sie'), czuschen ('zwischen'), dirte
('dritte', r-Metathese), begunst (s-Einschub), gegen (Partizip);
event. van, of, bede, io.
- Weitere Kennzeichen eventuell:
i (ie) im absoluten Auslaut Erhaltung des e im
Nom./Voc. bei sun.
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